Und plötzlich ging das Licht aus.
Dies, liebe Blogleserinnen und Blogleser, ist die Geschichte eines Menschen den ich kenne und sehr schätze.
Er hat sie für alle, die Telefonakquise als tägliches Geschäft betreiben, aufgeschrieben und sie mir für dieses Blog angeboten.
Selbstverständlich respektiere ich seinen Wunsch nach Anonymität, danke ihm aber hier noch einmal ganz herzlich für seine Offenheit und sein Vertrauen in mich. Danke!
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In Gesprächen mit Kollegen und Freunden höre ich immer wieder heraus, dass viele in ihrer Vertriebslaufbahn einmal dieses Problem haben, dann aber in schwere Konflikte geraten: Selbstzweifel sowieso, dazu kommt aber auch der Druck, der von Kollegen oder Vorgesetzten befürchtet wird. Die meisten tauchen während einer solchen Phase ab und versuchen sich durchzuwursteln. Offen darüber sprechen will niemand.
Erst dachte ich, das sei mir egal, ich stelle mich jetzt offen hin und erzähle aus meiner Erfahrung. Dann musste ich ganz schnell lernen, dass ich das zwar machen kann, dann aber vielleicht besser gleich ein Buch darüber schreibe und damit auch mein Geld verdiene. Im Vertrieb hätte ich vermutlich keine Karten mehr. Ich muss zugeben, dazu fehlt mir der Mut und die Kraft. Schließlich lesen meine Chefs auch in Xing und anderen Plattformen mit …
Aber ich habe einen Text verfasst, der auf das Problem aufmerksam macht.
Das “zeitweise-nicht-erfolgreich-sein” passt eben überhaupt nicht in die Branche des Vertriebs, die immer nur den Sieg und den Gewinn kennt.
Menschen, die mich kennen, beschreiben mich als “Netzwerker” und als “kontaktfreudig”. Vor etwa 12 Jahren wechselte ich von der Technik in den Bereich Kundenbetreuung und Vertrieb, weil ich als Techniker weit erfolgreicher mit Kunden und Interessenten umgehen konnte als meine Vertriebskollegen.
Tatsächlich gelingt es mir gut, Menschen technische Sachverhalte schnell und einfach zu erklären. Diesen “Umweg” benutze ich auch gerne als Gesprächseinstieg, denn -was mir kaum jemand abnimmt- Small Talk ist
eigentlich nicht meine Sache.
Es entwickelte sich gut für mich im Vertrieb. Auch die unerlässliche telefonische Kaltakquise bereitete mir keine Probleme. Vor dem Hintergrund der totalen Identifikation mit Produkt und Unternehmen machte es mir Spaß, auch
andere Menschen für unsere Ideen zu begeistern. Egal ob am Telefon oder persönlich vor Ort.
Doch irgendwann kam ein Schnitt und ich wechselte zu einem anderen Unternehmen.
Auch hier fiel die Identifikation nicht schwer und die vertriebliche Tätigkeit begann hoffnungsvoll. Es gab aber auch Rückschläge, Niederlagen. Härter als zuvor, sowohl in der Beurteilung durch andere als auch am Geldbeutel spürbar.
Und irgendwann schlich sich ein Geist in meinen Kopf.
– Der Geist des trockenen Mundes.
– Der Geist der Sprachlosigkeit.
Ein Geist, der einem während des Sprechens die Worte im Mund verdreht, obwohl sie im Kopf noch klar waren.
Und der Geist bekam allmählich auch Einfluss auf meinen Arm, der mehr und mehr liegen blieb, statt zum Hörer zu greifen.
Natürlich entwickelte ich Strategien dagegen:
Erstmals arbeitete ich mit Skripts, obwohl ich ein großer Freund freier Wortwahl bin. Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ging das in die Hose.
Ich definierte Zeitblöcke, in denen ich mich zwang zu telefonieren, mit der Belohnung von telefonfreier Zeit.
Schweissnasse Hände und Kopfschmerzen waren die Folge.
Keine Hilfe waren gut gemeinte Ratschläge, man müsse sich nur zwingen und immer wieder zum Hörer greifen, dann würde es schon wieder klappen. Kuriert man einen Menschen mit Wasserangst tatsächlich, in dem man ihn untertaucht?
Ohnehin sollte man im Haifischbecken des Vertriebs nicht auf Hilfe hoffen: Weder Kollegen noch Vorgesetzte haben Verständnis. Offen darüber zu sprechen kommt einem Offenbarungseid gleich. Die berufliche Zukunft wird noch mehr gefährdet.
Ich ging einen anderen Weg. Zunächst akzeptierte ich für mich, dass es momentan nicht geht. Den ausbleibenden beruflichen Erfolg habe ich in Kauf genommen. Der Geist bekam kein Futter mehr. Für über 3 Monate stellte ich die telefonische Kaltakquise komplett ein. Selbst im privaten Bereich bat ich Gesprächspartner per Mail, sie mögen mich doch mal anrufen, statt dass ich aktiv zum Hörer griff.
Dann folgte Schritt 2: Die Kündigung. Terminlich geschickt gewählt, so dass ich bei einer erwarteten Freistellung mindestens 6 Wochen zuhause sein würde.
Der Abstand war heilsam, der Geist verschwand.
Die ersten Telefonate führte ich wieder aktiv 2 Wochen, bevor ich meine neue Arbeitsstelle antrat. Es funktionierte wieder.
Langsam und noch ein bisschen unsicher, aber es klappte.
Im neuen Job ging es direkt sehr positiv los und das Telefonieren fiel wieder leicht.
Heute macht es wieder Spaß und ist erfolgreich.
Was habe ich daraus gelernt, was kann ich Ihnen mitgeben?
Druck und Zwang bringen nichts, auch wenn viele das behaupten. Bewahren Sie sich selbst, bewahren Sie die Authentizität. Falls es Ihnen möglich ist machen Sie einen radikalen Schnitt und nehmen Sie sich eine Auszeit, statt sich dauerhaft ins Aus zu stellen.
Viel Erfolg!